Der Schlaganfall (Apoplex) ist eine der führenden Ursachen für Behinderungen und Todesfälle weltweit. Er tritt auf, wenn die Blutversorgung eines Teils des Gehirns unterbrochen wird, so dass es zu einem Sauerstoffmangel und dem Absterben von Gehirnzellen kommt. Jährlich erleiden Millionen von Menschen einen Schlaganfall. Allein in Deutschland gibt es etwa 270.000 Schlaganfälle pro Jahr, mit anderen Worten: dass etwa alle zwei Minuten erleidet ein Mensch einen Schlaganfall. Besonders häufig tritt er bei älteren Menschen auf, jedoch können auch jüngere Menschen betroffen sein.

Vorkommen und Verteilung

Es gibt eine geografische und sozioökonomische Verteilung von Schlaganfällen. So haben Menschen in Ländern mit niedrigerem Einkommen und weniger entwickelten Gesundheitssystemen oft schlechteren Zugang zu Prävention und Behandlung. Auch in Ländern mit hohen Einkommensunterschieden sind ärmere Bevölkerungsschichten häufiger betroffen, was durch Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Stress beeinflusst wird. Geschlechtsspezifisch sind Männer häufiger betroffen als Frauen, jedoch haben Frauen tendenziell schlechtere Langzeitprognosen.

  • Globale Häufigkeit: Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine der Hauptursachen für langfristige Behinderungen.
  • Statistik: Jährlich ereignen sich weltweit etwa 15 Millionen Schlaganfälle, von denen etwa 5 Millionen tödlich verlaufen und weitere 5 Millionen Menschen dauerhaft behindert werden.
  • Altersgruppen: Das Risiko eines Schlaganfalls steigt mit dem Alter, insbesondere nach dem 55. Lebensjahr. Allerdings nehmen auch bei jüngeren Menschen aufgrund von Lebensstilfaktoren und genetischen Prädispositionen die Fälle zu.
  • Geschlecht: Männer haben tendenziell ein höheres Schlaganfallrisiko in jüngeren Jahren, während bei älteren Personen Frauen häufiger betroffen sind.

Symptome eines Schlaganfalls

Die Symptome eines Schlaganfalls treten plötzlich auf und können variieren, je nachdem welcher Bereich des Gehirns betroffen ist. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Plötzliche Schwäche oder Taubheit in Gesicht, Arm oder Bein, meist einseitig. Lähmung oder Schwäche auf einer Körperseite (Hemisymptome, z.B. im Gesicht, Arm oder Bein)
  • Sprach- und Verständnisstörungen, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen von Sprache.
  • Sehstörungen, Verschwommenes Sehen, Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen oder Doppelsehen.
  • Koordinationsprobleme, Schwierigkeiten beim Gehen, Schwindel oder Verlust des Gleichgewichts.
  • Plötzliche starke Kopfschmerzen ohne erkennbare Ursache, insbesondere bei hämorrhagischen Schlaganfällen.

Schnelle Hilfe ist essenziell, um langfristige Schäden zu minimieren. Die FAST-Regel hilft, Symptome zu erkennen:

  • F (Face): Hängt eine Gesichtshälfte beim Lächeln?
  • A (Arms): Kann eine Person beide Arme heben, oder ist ein Arm schwächer?
  • S (Speech): Ist die Sprache unklar oder merkwürdig?
  • T (Time): Sofort den Notruf wählen!

Formen des Schlaganfalls

Es gibt zwei Haupttypen und eine Vorform von Schlaganfällen:

  • Ischämischer Schlaganfall
    • Verstopfung eines Blutgefäßes im Gehirn durch ein Blutgerinnsel (Thrombose) oder ein Embolus. Die Folge ist eine Unterversorgung des betroffenen Hirngewebes mit Sauerstoff, was zu Gewebeschäden führt.
    • Ca. 80-85% aller Schlaganfälle.
    • Behandlung durch Thrombolytika (Medikamente zur Auflösung des Gerinnsels), mechanische Thrombektomie.
    • Formen:
      • Thrombotischer Schlaganfall: Ein Blutgerinnsel (Thrombus) bildet sich in einem Blutgefäß im Gehirn.
      • Embolischer Schlaganfall: Ein Gerinnsel oder eine andere Ablagerung (Embolus) wird aus einem anderen Teil des Körpers, meist aus dem Herzen, in die Hirnarterien gespült.
  • Hämorrhagischer Schlaganfall
    • Blutung im Gehirn durch das Platzen eines Blutgefäßes, oft verursacht durch Bluthochdruck oder Aneurysmen. Dies verursacht Druck auf das Gehirn und eine Schädigung der Nervenzellen.
    • Ca. 15-20% aller Schlaganfälle.
    • Behandlung durch Notfalloperation zur Blutstillung, Kontrolle des Blutdrucks, chirurgische Eingriffe.
    • Formen:
      • Intrazerebrale Blutung: Blutungen treten im Gehirngewebe selbst auf.
      • Subarachnoidalblutung: Blutungen finden im Raum zwischen Gehirn und dünnen Hirnhäuten statt.
  • Transitorische Ischämische Attacke (TIA)
    • Vorübergehende Unterbrechung der Blutversorgung, Symptome dauern weniger als 24 Stunden und verschwinden vollständig.
    • Warnsignal für ein erhöhtes Risiko eines zukünftigen Schlaganfalls.

Allgemeine Behandlungsmöglichkeiten

  • Akutbehandlung
    In der akuten Phase eines Schlaganfalls ist es entscheidend, so schnell wie möglich ärztliche Hilfe zu erhalten. Die ersten Stunden nach einem Schlaganfall (die „goldene Stunde“) sind entscheidend für die Prognose des Patienten.

    • Schnelle Diagnose: Bildgebende Verfahren wie CT oder MRT sind entscheidend für die Unterscheidung der Schlaganfalltypen.
    • Medikamentöse Therapie: Thrombolytika bei ischämischem Schlaganfall, hier kann durch die Verabreichung von gerinnselauflösenden Medikamenten (z.B. tPA) versucht werden, das Gerinnsel aufzulösen; Blutdrucksenkende Medikamente bei hämorrhagischem Schlaganfall.
    • Chirurgische Eingriffe: Bei hämorrhagischen Schlaganfällen oder größeren ischämischen Schlaganfällen wird mittels Thrombektomie das Blutgerinnsel durch einen Katheter mechanisch entfernt. Generelle Entlastung des Gehirndruckes
  • Rehabilitationsphase
    Die Rehabilitation beginnt so früh wie möglich und besteht aus verschiedenen Therapien, darunter Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und neuropsychologische Rehabilitation. Die Rehabilitation kann sich über Monate bis Jahre erstrecken und zielt darauf ab, Funktionen wiederzuerlangen und die Selbstständigkeit zu fördern.

    • Multidisziplinäres Team: Ärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen und Sozialarbeiter arbeiten zusammen.
    • Physiotherapie: Fokus auf Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit und Reduktion von Spastik.
    • Ergotherapie: Unterstützung bei alltäglichen Aktivitäten und Anpassung des Lebensumfelds.
    • Logopädie: Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
    • Psychologische Unterstützung: Hilfe bei der Bewältigung emotionaler und psychischer Herausforderungen.

Physiotherapie nach Schlaganfall

Physiotherapie ist ein zentraler Bestandteil der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Sie zielt darauf ab, die motorischen Funktionen wiederherzustellen, die Mobilität zu verbessern und die Lebensqualität der Patienten zu steigern.

Ziele der Physiotherapie

  • Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit: Verbesserung der Muskelkraft und Koordination. Viele Schlaganfallpatienten haben Schwierigkeiten, Bewegungen zu kontrollieren oder leiden an einer halbseitigen Lähmung (Hemiparese). Physiotherapie kann helfen, diese Funktionen wieder aufzubauen.
  • Reduktion von Spastik: Durch gezielte Mobilisation und Dehnungsübungen kann die Spastik, eine häufige Folge von Schlaganfällen, reduziert werden. Kontrolle von Muskelsteifheit und unwillkürlichen Bewegungen.
  • Verbesserung des Gleichgewichts und der Stabilität: Verhinderung von Stürzen und Förderung der Selbstständigkeit. Nach einem Schlaganfall ist das Risiko für Stürze erhöht. Durch spezifische Übungen wird das Gleichgewicht trainiert.
  • Förderung der Gehfähigkeit: Unterstützung beim Wiedererlernen des Gehens und der Nutzung von Hilfsmitteln.
  • Schmerzlinderung: Behandlung von Muskel- und Gelenkschmerzen.
  • Prävention von Sekundärkomplikationen: Immobilität kann zu Muskelatrophie, Gelenksteifigkeit und Thrombosen führen. Durch Bewegung wird diesen Problemen vorgebeugt.

Behandlungsformen in der Physiotherapie

Physiotherapeutische Ansätze:

  • Bobath-Konzept und PNF: Dieser Ansatz zielt darauf ab, normale Bewegungsmuster zu fördern und abnorme Reflexe und Spastik zu unterdrücken. Er basiert auf der Idee, dass das Gehirn in der Lage ist, sich nach einem Schlaganfall neu zu organisieren (Neuroplastizität).
  • Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT): Bei dieser Methode wird der gesunde Arm vorübergehend immobilisiert, um den betroffenen Arm aktiv zu trainieren und zu stärken.
  • Spiegeltherapie: Ein Spiegel wird so positioniert, dass das Gehirn denkt, der betroffene Arm sei gesund, was die Bewegungserholung fördert.
  • Gehtraining: Um die Gehfähigkeit wiederherzustellen, werden verschiedene Methoden eingesetzt, wie Laufbandtraining mit Gewichtsentlastung oder Übungen, die die Schrittkoordination und das Gleichgewicht trainieren.
  • Funktionelle Elektrostimulation (FES): Elektrische Impulse werden verwendet, um geschwächte Muskeln zu stimulieren, z.B. zur Unterstützung der Fußhebung beim Gehen.

Allgemeine Übungsansätze:

  • Passive Bewegungsübungen
    • Der Therapeut bewegt die Gliedmaßen des Patienten, ohne dass dieser aktiv beteiligt ist.
    • Verhinderung von Kontrakturen (Verkürzungen der Muskeln) und Aufrechterhaltung der Gelenkbeweglichkeit.
  • Aktive Bewegungsübungen
    • Der Patient führt die Bewegungen selbstständig aus.
    • Verbesserung der Muskelkraft und Koordination.
  • Aktiv-Assistierte Übungen
    • Der Therapeut unterstützt den Patienten bei den Bewegungen, die dieser teilweise selbst ausführt.Förderung der aktiven Teilnahme und Steigerung der Muskelkraft.
  • Krafttraining
    • Spezielle Übungen zur Stärkung der betroffenen Muskulatur, oft unter Verwendung von Gewichten oder Widerstandsbändern.
    • Verbesserung der Muskelkraft und -ausdauer.
  • Gleichgewichts- und Koordinationsübungen
    • Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts, wie z.B. das Stehen auf einem Bein oder das Gehen auf einer Linie.
    • Erhöhung der Stabilität und Reduktion des Sturzrisikos.
  • Gangtraining
    • Übungen zur Verbesserung des Gehens, oft unter Verwendung von Gehgestellen oder Laufbändern.
    • Wiedererlangen der Gehfähigkeit und Verbesserung der Gangqualität.
  • Dehnübungen
    • Stretching der verkürzten Muskeln, um die Flexibilität zu erhöhen.
    • Reduktion von Muskelsteifheit und Verbesserung der Beweglichkeit.
  • Manuelle Therapie
    • Hands-on-Techniken zur Mobilisierung der Gelenke und Weichteile.
    • Verbesserung der Beweglichkeit und Schmerzlinderung.
  • Elektrotherapie
    • Anwendung von elektrischen Strömen zur Muskelstimulation und Schmerzlinderung.
    • Förderung der Muskelaktivität und Schmerzlinderung.
  • Therapeutisches Training
    • Funktionelle Übungen, die auf die Alltagsaktivitäten des Patienten zugeschnitten sind.
    • Verbesserung der Selbstständigkeit im Alltag.

Beispiele für Physiotherapieübungen nach Schlaganfall

  • Beinheben im Sitzen

    • Ziel: Verbesserung der Muskelkraft in den Oberschenkeln.
    • Durchführung:
      1. Setzen Sie sich auf einen stabilen Stuhl.
      2. Heben Sie das betroffene Bein langsam an, bis es gerade ist.
      3. Halten Sie die Position für 5 Sekunden.
      4. Senken Sie das Bein langsam ab.
      5. Wiederholen Sie die Übung 10-15 Mal.
  • Handgelenk-Drehungen

    • Ziel: Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination der Handgelenke.
    • Durchführung:
      1. Strecken Sie den betroffenen Arm vor sich aus.
      2. Drehen Sie das Handgelenk langsam im Uhrzeigersinn für 10 Wiederholungen.
      3. Wechseln Sie die Richtung und drehen Sie das Handgelenk gegen den Uhrzeigersinn für weitere 10 Wiederholungen.
  • Sitzende Kniebeugen

    • Ziel: Stärkung der Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur.
    • Durchführung:
      1. Setzen Sie sich auf die Kante eines stabilen Stuhls.
      2. Stellen Sie die Füße flach auf den Boden, hüftbreit auseinander.
      3. Richten Sie sich langsam auf, indem Sie die Beine strecken.
      4. Setzen Sie sich kontrolliert wieder hin.
      5. Wiederholen Sie die Übung 10-12 Mal.
  • Brücke

    • Ziel: Stärkung der Rücken- und Gesäßmuskulatur.
    • Durchführung:
      1. Legen Sie sich auf den Rücken, die Knie gebeugt und die Füße flach auf dem Boden.
      2. Heben Sie langsam das Becken an, bis der Körper eine gerade Linie von den Knien zu den Schultern bildet.
      3. Halten Sie die Position für 5 Sekunden.
      4. Senken Sie das Becken langsam ab.
      5. Wiederholen Sie die Übung 10 Mal.
  • Schulterkreisen

    • Ziel: Verbesserung der Beweglichkeit und Reduktion von Verspannungen in den Schultern.
    • Durchführung:
      1. Setzen oder stellen Sie sich bequem hin.
      2. Heben Sie die Schultern langsam zu den Ohren.
      3. Kreisen Sie die Schultern nach hinten und unten.
      4. Führen Sie 10 Kreise in jede Richtung durch.
  • Sitzbalance-Training:

    • Ziel: Verbesserung der Rumpfstabilität und des Gleichgewichts
    • Der Patient sitzt auf einem Stuhl oder einem Physioball. Versuche, den Oberkörper in verschiedene Richtungen zu neigen und das Gleichgewicht zu halten.
  • Spiegeltherapie:

    • Ziel: Förderung der Handfunktion
    • Der Patient legt die gesunde Hand vor einen Spiegel, sodass sie wie die betroffene Hand aussieht. Bewegungen der gesunden Hand werden ausgeführt, um das Gehirn zu „täuschen“ und die Regeneration der betroffenen Seite zu fördern.
  • Gangübungen mit Gewichtsentlastung:

    • Ziel: Wiederherstellung der Gehfähigkeit.
    • Mit Hilfe eines Gehbands und eines Gewichtsentlastungssystems wird der Patient beim Gehen unterstützt, um das natürliche Gangbild zu trainieren.

Schlaganfall, ein Fazit:

Der Schlaganfall stellt eine erhebliche gesundheitliche Herausforderung dar, die nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch ihrer Familien und des Gesundheitssystems stark beeinflusst. Die rasche und adäquate medizinische Versorgung in der Akutphase ist entscheidend für das Überleben und die Minimierung von Schäden. In der Rehabilitationsphase spielt die Physiotherapie eine zentrale Rolle bei der Wiederherstellung der motorischen Funktionen, der Verbesserung der Mobilität und der Steigerung der Lebensqualität der Patienten.

Durch gezielte physiotherapeutische Maßnahmen können Patienten viele ihrer Fähigkeiten zurückgewinnen und ein weitgehend selbstständiges Leben führen. Regelmäßige Übungen und eine kontinuierliche Therapie sind essenziell, um Fortschritte zu erzielen und langfristige Verbesserungen zu sichern. Zudem trägt die Physiotherapie zur Prävention von Folgeerkrankungen bei und unterstützt die emotionale und psychische Genesung der Patienten.

Insgesamt ist die Physiotherapie nach einem Schlaganfall ein unverzichtbarer Bestandteil der umfassenden Rehabilitation, der maßgeblich zur Genesung und zur Wiederherstellung der Lebensqualität beiträgt.